Heidelberg – 21. May 2012

Rede aus Anlass der Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Stadt

Ich grüße Sie alle, wichtige Partnerinnen und Partner in dieser Stadt aus der Verwaltung, dem Gemeinderat und der Öffentlichkeit, der Universität, der Wirtschaft, der Kultur und vielen Organisationen und euch, meine Familie und Freunde.

Dank an den Oberbürgermeister und den Gemeinderat, die diese Ehrung vorbereitet und beschlossen haben. Ich freue mich wirklich sehr darüber, auch wenn ich für meine Arbeit geehrt werde, für die ich bezahlt wurde und die mir Freude gemacht hat. Es ist schön, in diesem Saal geehrt zu werden, in dem ich viele Stunden meines Lebens verbracht habe.

Die weitaus größte Zeit meines Lebens habe ich in dieser einzigartig schönen Stadt verbracht, die so reizvoll ist, weil sie einerseits recht überschaubar, andererseits aber international und weltoffen ist.

Als ganz kleines Kind kam ich mit meiner Mutter hierher, denn ihre älteste Schwester war mit einem Ziegelhäuser verheiratet. Die Adlerfähre brachte meinen Vater aus russischer Kriegsgefangenschaft 1948 zu uns zurück. 1950 kam ich bei meinem „Herr Lehrer Hoppe“ in die Schule – in eine große Klasse, noch mit Schulspeisung (einem Kakao, den ich nicht ausstehen konnte). Kurz danach brachten uns berufliche Gründe ins Ruhrgebiet, wo ich bis zum Abitur in Dortmund blieb, um dann 1963 zum Studium wieder zurück zu kommen und zu bleiben – mit unvorhersehbaren Folgen.

Mit meiner ersten Heirat und unserer Tochter änderte sich das ursprüngliche Berufsziel und ich wurde Lehrerin mit einer Zusatzausbildung zur Beratungslehrerin. Über elf Jahre unterrichtete ich mit großer Freude Kinder und Jugendliche auf dem Boxberg und in der Internationalen Gesamtschule, die ich auch im Auftrag meines Amtsvorgängers in der Planungsgruppe mit vorbereitet hatte. Es war eine großartige Aufbruchszeit in der Bildungspolitik mit einem engagierten Kollegium, eng begleitet durch die Eltern, mit viel Arbeit und großer Begeisterung. Es ist bedauerlich, dass diese guten Anfänge, Chancengleichheit zu erreichen, in Deutschland nicht fortgesetzt wurden, sonst müssten wir heute nicht die ganze Debatte wiederholen.

Viel gelernt habe ich bei der gleichzeitigen Arbeit in „meiner“ SPD von Rohrbach aus – wie spannend und heiß umstritten war z.B. die Einrichtung eines Abenteuerspielplatzes für kreatives Spielen im Hasenleiser! – und dann ab 1975 mit den Wahlen in den Gemeinderat. Ich erinnere mich noch gut an den „richtigen“ Einblick in die Stadtpolitik mit meiner ersten Haushaltsrede, vor allem aber an die schwierigen Debatten um eine vernünftige Altstadtentwicklung und Verkehrspolitik, um Jugendarbeit und vor allem Bürgerbeteiligung. Dass die harten Auseinandersetzungen der 68er-Jahre auch bis in den Gemeinderat reichten – mit Polizeieinsatz und unserem Rückzug durch die Hintertür – , wissen viele heute nicht mehr.

Die erste Direktwahl zum Europäischen Parlament 1979 bot mir die unglaubliche Chance, politische und berufliche Interessen von Heidelberg aus zusammen zu bringen. Ich hatte das Glück, zwei Mal wieder gewählt und mit der Leitung des dortigen Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherausschusses betraut zu werden. Die Themen haben mich nicht wieder losgelassen. Wir haben sie immer in den Zusammenhang gesetzt mit Wirtschafts-, Entwicklungs- und Sozialpolitik, mit Energie-, Forschungs-, Agrar- und Verkehrspolitik, also ganzheitlich gedacht, was sich vor allem beim großen Thema Klimaschutz als dringend notwendig und richtig erwies. Dazu kam die Erkenntnis, dass gerade diese Fragen sowohl lokaler als auch grenzüberschreitender Antworten bedurften. Meine Arbeit auf beiden Ebenen, der lokalen und der europäischen, wurde so intensiv beeinflusst.

Als sich dann 1990 durch den unerwarteten Rücktritt Reinhold Zundels als Oberbürgermeister meine völlig ungeplante Kandidatur für das Rathaus ergab, hatte ich also insgesamt viele hilfreiche politische, inhaltliche und formale Erfahrungen gemacht, die mir diesen neuen Beruf sehr erleichterten.

Nun traf ich mit meinen Vorstellungen von einer „guten“, humanen und sich positiv entwickelnden Stadt auf eine vielfach engagierte, starke Bürgerschaft, einen kraftvollen und streitbaren Gemeinderat und eine zu großer Kreativität fähige und bereite Verwaltung – nicht immer einfache, aber großartige Partner, mit denen sich viel verändern ließ.

Viel erlebt habe ich in der Zeit und bin interessanten Menschen begegnet – auch Gästen in der Stadt – unvergesslich Nelson Mandela oder Francois Mitterand. (Goldenes Buch auf der Alten Brücke).

Ich habe mich darum bemüht, den Menschen den Staat in Form ihrer Kommune nahe zu bringen, ihnen auf gleicher Ebene zu begegnen, ihnen gerecht zu werden und sie gerecht zu behandeln. Diejenigen, bei denen mir dies nicht gelungen ist, bitte ich um Verzeihung.

Wir haben gemeinsam dafür gesorgt, dass bei uns alle wichtigen Bereiche der Daseinsvorsorge auch in finanziell schwierigen Zeiten öffentliche Aufgabe blieben. Die Verwaltung hat versucht, gute konzeptionelle Arbeit über den Tag hinaus zu leisten für Energie und Umwelt, Verkehr, Wirtschaft und Tourismus, Kinder, Jugendliche und alte Menschen, für Kultur, soziale Angelegenheiten und Gleichstellung – aber auch für die Ordnung der städtischen Finanzen und die eigene Verwaltungsorganisation. Es war eine Freude zu sehen, wie viel von innen heraus zu verändern möglich war.

Es war mir wichtig, eine nachhaltige Entwicklung zu sichern, die Ökologie, Ökonomie und soziale Verantwortung gemeinsam voranbringt. Besonders erfreulich war dabei, dass wir dabei auch in der Region und in unseren Partnerstädten einerseits gute Ideen bekamen, andererseits aber auch unsererseits Positives bewirken konnten. Als internationale Stadt hatten wir eine besondere Chance aktiv zu sein, und wir haben sie nach Kräften genutzt – in Europa und weltweit. Es tut gut zu sehen, dass diese Bemühungen fortgesetzt werden, gerade die nachhaltige Entwicklung der Bahnstadt oder auch die Konversion der US-Army-Flächen sind gute Beispiele. Dafür dem OB und dem Gemeinderat alles Gute!.

Ich habe versucht, am jeweiligen Ort meine Aufgabe zu erfüllen, zusammen mit großartigen Partnerinnen und Partnern in der Familie, dem Freundeskreis, der Politik, den Verwaltungen und mit den vielen Engagierten, die ich in der Öffentlichkeit angetroffen habe. Ihnen allen sei hier auch noch einmal gedankt.

Meinem Nachfolger und denen, die nach ihm kommen wünsche ich alles erdenklich Gute.