Heidelberg – 1. September 2010

„Visionen für eine bessere Lebensqualität“

Gertrud Lenz

Jahrbuch Ökologie 2011: Die Klima-Manipulateure, Rettet uns die Politik oder Geo-Engineering? Hrsg. Günter Altner, Heike Leitschuh, Gerd Michelsen, Udo E. Simonis, Ernst U. von Weizsäcker, S.Hirzel Verlag Stuttgart 2010. Im Kapitel IV „Vor-Denker & Vor-Reiter“ über Angelika Zahrnt, Joseph Beuys und Beate Weber („Beate Weber – die umweltpolitische Kämpferin“) schreibt Gertrud Lenz aus dem Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich Ebert-Stiftung.

Foto-Jahrbuch-der-OekologieAls erster Frau wurde Beate Weber der Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), einer der am höchsten dotierten Umweltpreise, bei einem Festakt in Aachen am 28. Oktober 2007 verliehen. Dieser Preis wurde Beate Weber für ihr umweltpolitisches Wirken als Oberbürgermeisterin von Heidelberg zuerkannt. Bei ihrem Amtsantritt 1990 war Beate Weber die erste Oberbürgermeisterin in Baden-Württemberg. Im Laufe ihrer 16jährigen Amtszeit machte sie Heidelberg zu einer im Umwelt- und Klimaschutz führenden Großstadt, die 1997 von der Deutschen Umwelthilfe zur „Umwelthauptstadt für Natur und Umweltschutz“ gewählt wurde. Zuvor hatte sich Beate Weber 11 Jahre als sozialdemokratische Abgeordnete des Europäischen Parlaments (1979 – 1990) und langjährige Vorsitzende des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherschutz in der europäischen Umweltpolitik (1984 – 1990) engagiert.

1979 bei den ersten Direktwahlen des Europäischen Parlaments setzte sich Willy Brandt gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) dafür ein, weibliche Kandidatinnen aufzustellen und auf einem sicheren Listenplatz abzusichern, so dass 20 % der Kandidatinnen den Sprung ins Europäische Parlament schafften. Zu ihnen zählte die damals sechsunddreißigjährige Beate Weber, Mutter einer vierzehnjährigen Tochter. Die Heidelberger Lehrerin, der bereits in ihrer ersten Lehrbeurteilung eine „progressiv-drängende Art“ bescheinigt wurde, war seit 1975 Mitglied des Heidelberger Gemeinderats und stellvertretende Vorsitzende des SPD-Parteirats Als stellvertretende Vorsitzende bzw. Vorsitzende des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments wurde Beate Weber zu einer engagierten Umweltpolitikerin. Sie machte zahlreiche Umweltthemen mit parlamentarischen Mitteln (Anfragen an die Europäische Kommission, und Entschließungsanträge) sowie durch der Öffentlichkeitsarbeit – oft gegen Widerstände der Europäischen Kommission – zum Gegenstand der Arbeit des Europäischen Parlaments. Unter ihrem Vorsitz erarbeitete der Ausschuss für Umwelt, Volksgesundheit und Verbraucherschutz über 200 Berichte zu existenziellen Umweltfragen wie Gifttransporte, Chemiepolitik, Gentechnologie, Atommüll. Zu Beate Webers großen umweltpolitischen Leistungen zählt die Initiierung eines Antrags zur Einberufung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Europäischen Parlament, gegen heftige Widerstände vor allen von Rat und Kommission der EG, um die mangelnde Durchführung der EG-Richtlinie über giftige und gefährliche Stoffe und den Verbleib der giftigen Abfälle aus dem Unglück von Seveso zu untersuchen, durch das in der oberitalienischen Region 1977 zahlreiche Menschen, und vor allem Kinder, schwere Vergiftungen erlitten hatten. Sie selbst wurde Mitglied, aber nicht Berichterstatterin dieses Ausschusses, der nach ihrer Meinung bei der Ausübung seiner Tätigkeit behindert wurde.

Eine der zentralen Aufgaben des Europäischen Parlaments sah Beate Weber in der Schaffung von einheitlichen Richtlinien und Verordnungen für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften im Umweltbereich. Als Vorsitzende des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherschutz war sie maßgeblich an der Erarbeitung von EG-Richtlinien für den Transport gefährlicher Stoffe und Abfälle beteiligt, ebenso an Vorschriften im Bereich des Lebensmittelrechts oder umweltpolitischen Maßnahmen z.B. gegen Luftverunreinigungen und die Spätfolgen des Reaktorunfalls von Tschernobyl. Die Errichtung einer europäischen Umweltagentur und eines europäischen Überwachungs- und Informationsnetzes für Umweltschäden waren zusammen mit der Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP) wichtige Maßnahmen auf europäischer Ebene zum Schutz der Umwelt, an denen Beate Weber mitwirkte.

Beate Weber im OB-Wahlkampf 1998

Als Kandidatin der Heidelberger SPD trat die 47jährige langjährige Heidelberger Gemeinderätin (1975-1985) und Europaabgeordnete als „Die Frau für Heidelberg“ bei den Oberbürgermeisterwahlen 1990 unter dem Leitgedanken: .„Unsere Stadt braucht frischen Wind“ an. Mit diesem Signal für einen sozialdemokratischen „Neubeginn“ nach 24jähriger Amtsinhaberschaft Reinhold Zundels, versprach Beate Weber eine Modernisierung Heidelbergs, die Bürgerbeteilung und ökologische Aspekte einschloss. Im Vordergrund ihrer Arbeit standen die Politikbereiche Umwelt und nachhaltige Entwicklung, Gleichstellung der Frau – sie schuf das Amt für Frauenfragen – , Kinder- und Jugendpolitik, Wirtschaft und Wissenschaft sowie die Schaffung einer bürgernahen Verwaltung als Dienstleistungsbetrieb – sie schuf die ersten Bürgerämter in den Stadtteilen – und sorgte für mehr BürgerInnenbeteiligung. „Global denken und lokal handeln“ – unter diesem Leitmotiv schuf Beate Weber als sozialdemokratische Oberbürgermeisterin von Heidelberg in zwei Amtsperioden entscheidende strukturelle Voraussetzungen für eine kommunale Umweltpolitik.

Beate Weber bezeichnete sich selbst als „hartnäckig und durchsetzungsfähig, aber auch tolerant.“ Am Ende der ersten Amtszeit sahen örtliche VertreterInnen von Umweltgruppierungen und Parteien in Beate Weber einerseits „eine tolle Frau, die tolle Sachen macht“. Sie kritisierten Beate Weber aber andererseits auch als „Machtpolitikerin“, die – bei „richtigen Ansätze(n) und gute(n) Ideen“ wegen ihrer „mangelnden Kommunikationsbereitschaft“ den bei ihrem Amtsantritt 1990 angekündigten „Neubeginn“ nur beschränkt vollzogen habe. Dennoch: 1998 trat Beate Weber erneut als Kandidatin der SPD unter dem Motto „Für Sie und für diese Stadt möchte ich gerne weiter arbeiten“ für das Amt der Oberbürgermeisterin an. Im zweiten Wahlgang hatten die WählerInnen zwischen Beate Weber und dem Kandidaten der Wählervereinigung „Die Heidelberger“ Wolfgang Lachenauer zu entscheiden, der mit einem verkehrspolitischen Programm antrat, das in zentralen Punkten der Umweltpolitik Beate Webers konträr gegenüber stand. Beate Weber setzte sich knapp gegen den Kandidaten des konservativ-liberalen Lagers durch. Als Beate Weber am Ende ihrer zweiten Amtszeit 2006 Bilanz zog, bewertete sie die Jahre als Oberbürgermeisterin von Heidelberg als nicht konfliktfrei. Doch die politische Laufbahn lehrte sie – so Beate Weber – „zwischen persönlicher Gegnerschaft und sachbezogenen Differenzen zu unterscheiden“. Als Fazit der Jahre als Oberbürgermeisterin stellte sie für sich fest, dass sie ihren Visionen „mit großer Begeisterung“ treu geblieben sei.

Leseempfehlung:

Weber, Beate, Im Wurzelwerk der Demokratie: ausgewählte Reden einer Oberbürgermeisterin 1990 – 2006, Heidelberg 2006

Weber, Beate, Die EG-Umweltpolitik, Bonn 1989. (Materialien zu Europa / Gruppe der SPD-Abgeordneten in der Sozialistischen Fraktion des Europäischen Parlaments)

Lenz, Gertrud, “Visionen für eine bessere Lebensqualität“. Das Depositum Beate Weber im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, in: Archiv-Nachrichten. Internet-Newsletter aus dem Archiv der sozialen Demokratie, Nummer 1 / 2008, 7. Juli 2008, verfügbar unter: http://www.fes.de/archiv/adsd_neu/inhalt/newsletter/newsletter/NL_01_2008/newsletter012008.html zuletzt geprüft: 23. März 2010.